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Atelierfoto Michaela Odekerken.JPG

Werkbeschreibung Michaela Odekerken

In einem Zeitalter, in dem sich kulturelle Grenzen beliebig verschieben, sich die eigenständigen elementaren Strukturen überall auflösen und sich die einstmals völlig abgeschotteten Kulturkreise für modernen Ideen und Inspirationen öffnen, versuche ich mit meiner Malerei grenz- und kulturüberschreitend Europa und Asien zu verbinden.

Europäische Kunstauffassung und asiatische Traditionen spiegeln sich so in meinem Werk wieder. Ausgedrückt in sinnlich zarten, östlich ästhetischen wie westlich aufgeklärten abstrakten Farbkompositionen, erscheint es als summarisches Ergebnis aller bisher gemachten Erfahrungen.

Lyrik aus China und Japan inspiriert mich und lässt die alten Weisheiten des Zen-Buddhismus und des Taoismus in meine Bildsprache einfließen.

 

 "Oasen der Beschaulichkeit - Tiefenquellen der Vitalität"

"Von Bild zu Bild taucht der Betrachtende in eine Welt ein, die zunächst durch ihr fernöstliches Flair besticht. Ins Auge fallen sogleich fremde Schriftzüge und eine verrätselnde Zeichensprache, deren Quintessenzen gleichwohl in Bildtiteln und Bildkommentaren entschlüsselt werden.

Ein Blick auf den Gesamtfokus malerischer Auslotungen verrät die Zeitlosigkeit und Universalität einer unverwechselbaren Bildsprache, wo sich Poesie und Expressivität zu ästhetischen Synthesen verbünden. So bilden etwa Bildschwerpunkte Vorstellungen von Schönheit, Anmut, Balance, Glück, Hoffnung, Mitmenschlichkeit, Liebe, Traum, Licht oder naturhafte, organische, sphärische und kosmische Bereiche (beispielsweise Das All). Nicht zuletzt reflektieren das Gemäldepanorama und dessen rhythmisiertes, sinnbildhaftes Farbengeschehen gewissermaßen die wechselhaften Jahreszeiten der menschlichen Psyche. Etliche Studien regen darüber hinaus die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Wesen an (beispielsweise Das wahre Selbst und Inneres Licht).

Die homogene Verzahnung von Innenleben und Außenwelt veranschaulicht dieses Werk auf exemplarische Weise. Werkknotenpunkte wie das Verrinnen der Zeit, die hinterfragte Wahrnehmung von Wirklichkeiten erhalten in diesem Rahmen ebenfalls ihre spezifische Aura und Relevanz.

Der Betrachtende mag sich zunächst erfreuen am prächtig und verführerisch schimmernden, vital leuchtenden Farbenschauspiel. Unzählige Lasuren und sensitiv abgestimmte Membranschichten verdichten sich zu starken Bildeindrücken, die vornehmlich Raumtiefe und fließende, gleitende Bewegungen suggerieren. Anspruchsvolle, detailliert durchstrukturierte, musikalisch grundierte Bildanlagen sorgen dafür, dass im Zuge einer künstlerisch angeregten Bildversenkung und Bildvertiefung stets neue Entdeckungen auf den Plan gerufen werden. Auf diese Weise kommt ein ausgiebiger, fruchtbarer Dialog zustande.

Im Grunde plädiert das gesamte Werk für Stationen des Innehaltens, Oasen der Ruhe, für regenerative Momente (beispielsweise Atem ist Leben); auch ist das umfassende Oeuvre der Michaela Odekerken im Kern ein Credo an konstruktive Energien (beispielsweise Blätter am Baum der Hoffnung) schlechthin; offenbar wird gleichermaßen die in der fernöstlichen Kunst verankerte Bezeichnung "Kunstweg". Zen-Buddhismus und überhaupt asiatische Philosophien korrespondieren mit einer Ausprägung von Naturpoesie, die den Kerngedanken der Erleuchtung verfolgt. So wird hier dem Reich der Natur eine geistige Bedeutung und Dimension beigemessen. Die sich auf den Spuren der Natur bewegende Künstlerin trachtet danach, deren vitale Rhythmen, sanfte Schwingungen oder deren mikrokosmische Geheimnisse aufzuspüren und zu erforschen. Papier dient in der fernöstlichen Mal-Tradition und Kalligraphie als Matrix oder Resonanzboden für diese Form von Wirklichkeitstransformation.

Metamorphose und Transformation spielen ebenfalls eine führende Rolle im Bilduniversum der Asien-Insiderin Michaela Odekerken (siehe ihre Aufenthalte in Indien und Thailand).

Jede Komposition spiegelt in ihrem spezifischem Bildtimbre Umwälzungs- oder Veränderungsprozesse, Auflösungen und Neuformierungen und Schwebezustände. Bemerkenswert auf technischer Ebene ist hier die treffsichere Übersetzung von Aquarellstrategien in Acrylfarbenauftrag. Vielfach wird man mit einem mit kosmischen Anklängen behafteten Hintergrund konfrontiert, auf den eine oder mehrere Inselsituationen projiziert erscheinen. Während der geheimnisumwoben schimmernde Fond die Konstante bildet, sind inselartige Einlassungen Schauplätze von scheinbar veränderlichen Lichtspielen und Schattenzonen. Transparente Schleier- und Schwadengebilde, mondartige Krater, verlöschende und aufflackernde Gluten soufflieren nicht nur den Eindruck einzigartiger, vorüberziehender oder vergänglicher Geschehnisse. Unterschwellig sind die fiktionalen Momentaufnahmen der Künstlerin auch ein Manifest für das populäre Motto "Carpe diem".

Fernöstliche Musik begleitet vielfach die malerischen Langzeitprojekte der Michaela Odekerken. Kalligraphischer Schwung, intuitive, gleichwohl auf Anhieb sitzende Gesten münden vielerorts in choreographisch bestimmte Bildwelten. Die geradezu flockige Leichtigkeit von amorphen Gebilden schlägt wiederum Gedankenbrücken zu den Revieren des Traumes, den unergründlichen, irrationalen Landschaften des Unbewußten oder zu jenen Seeleninterieurs, die per Titel anklingen.

"Alles Sichtbare ist ein Traum..." zitiert Michaela Odekerken ihre zeitweilige Lieblingsautorin Chao-Hsiu Chen ("Das buddhistische Buch der Liebe", Lübbe 1999) in ihrer Randbemerkung zum Bildkosmos von Das Sichtbare. In traumhafte Bildsphären taucht die Künstlerin ihre Visionen von irdischen Angelpunkten, sei es von Liebe, Schönheit - Rücksicht oder von Shon - Die Macht des Feuers.

Während die soeben beleuchtete Bildersequenz mehr die Anmutung von Sinnlichkeit, Temperament, Intuition, Impulsivität oder gar Spontaneität vermittelt, gibt es eine Bilderstrecke, die eher rational, systematisch, analytisch oder geometrisch wirkt.

Abgesehen davon, dass die Kunststudentin Michaela Odekerken eine mathematische, geographische Akademievergangenheit durchwandert hat, prägte die frühen Jahre künstlerischer Selbständigkeit eine keineswegs kunstalltägliche Auseinandersetzung: Basis ist die Philosophie rund um den Brennpunkt "Mandala" sowie die indische Raum- und Energielehre, genannt "Vastu". Von hier aus ergeben sich werkinterne Bezugspunkte zu insgesamt straff angelegten Bildarchitekturen. Auch hier ist es durchaus möglich und gestattet Bildinterpretationen ohne fundierte Kenntnisse zu betreiben. Beispielsweise geht es da vielfach um das zentrale Symbol des Kreises, der bekanntermaßen Vollendung, zyklische Wiederkehr oder Vollkommenheit signalisiert.

Morgenländische und abendländliche Kulturen überkreuzen sich ebenfalls im Zeichenidiom und güldenen Letterarsenal. Abgesehen davon, dass das Konvolut von Textzitaten bereits so etwas wie Schützenhilfe für den grauen Alltag verkörpert, findet man schlußendlich freiheitlich übertragene Zeilen aus einer archaischen Literaturquelle: es handelt sich um den legendären "I Ging" und dessen Evergreen "Das Buch der Wandlungen".

Dass Michaela Odekerken genau auf diesen Weisheitsfundus rekurriert, hängt auch mit den diskreten Botschaften ihrer Arbeits- und Gedankenwelten zusammen. Harmonie, Balance, Souveränität, Distanz ebenso wie mitmenschliches Engagement sind Aspekte oder Sehnsüchte, die sich gleichsam dezent zwischen den Zeilen ihrer Bildwelten herauskristallisieren lassen."

Text von Dr. Christina zu Mecklenburg, Kunstjournalistin, Bonn 2008

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